Die Messung des Unsichtbaren – Innovatives Messverfahren für Unebenheiten auf Halbleiterscheiben

Dr. Alexander Tobisch erhält für seine Promotion am Fraunhofer IISB in Erlangen den Wissenschaftspreis der Stiftung Industrieforschung 2018

Pressemeldung der Firma Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB
Pressefoto Wissenschaftspreis 2018


Der diesjährige Wissenschaftspreis der Stiftung Industrieforschung geht an Dr.-Ing. Alexander Tobisch für seine Dissertation „Telezentrische Deflektometrie zur Nanotopographiemessung von Halbleiterscheiben“. Dr. Tobisch hat am Fraunhofer IISB in Erlangen ein innovatives optisches Messverfahren entwickelt, das kleinste Unebenheiten auf spiegelnden Oberflächen erkennt. Die Technologie ermöglicht eine einfache und umfassende Qualitätskontrolle in der Halbleiterindustrie und kann helfen, die Ausbeute bei der Herstellung von Mikrochips zu erhöhen.

Wissenschaftliche Herausforderung

Alexander Tobisch stand in seiner Promotion vor der Herausforderung, kleinste Unebenheiten auf Halbleiterscheiben, so genannten Silizium-Wafern, zu vermessen. Silizium-Wafer sind das Grundmaterial, auf dem Mikrochips gefertigt werden. Inzwischen sind die Strukturen der integrierten Schaltkreise so winzig, dass die Halbleiterscheiben perfekt eben sein müssen. Bereits kleinste Unebenheiten im Bereich weniger hundert Atomlagen reduzieren später die Ausbeute an funktionierenden Mikrochips deutlich.

Bislang werden diese Unebenheiten mittels optischer Interferometrie erfasst. Leider sind die dafür verfügbaren Messgeräte störanfällig, z.B. gegenüber geringsten Erschütterungen, aufwändig, teuer und relativ schwer in die Fertigungsprozesse integrierbar. Zielsetzung der Promotion von Alexander Tobisch war daher die Ent-wicklung eines neuartigen, gegenüber äußeren Einflüssen robusten und preis-günstigeren Messverfahrens. Die Herausforderung bestand hierbei nicht nur in der extrem hohen Messgenauigkeit, sondern auch in der spiegelnden Oberfläche der polierten Halbleiterscheiben. Viele bekannte Messprinzipien funktionieren nicht auf spiegelnden Oberflächen. Grund dafür ist, dass ein perfekter Spiegel „unsichtbar“ ist: Man sieht immer die sich spiegelnde Umgebung, jedoch nicht die Oberfläche selbst.

Messung des Unsichtbaren

Für die Erfassung spiegelnder Oberflächen sind zwei Messprinzipien verbreitet: Die Makyoh-Methode und die Deflektometrie. Mit der Makyoh-Methode lassen sich Unebenheiten mit Hilfe von gerichteter Beleuchtung visualisieren. Bei der Deflektometrie wird ein Streifenmuster analysiert, das sich an der zu untersuchenden Oberfläche spiegelt. Leider kann keines der beiden Verfahren die hohen Anforderungen an die Messgenauigkeit und an die Zuverlässigkeit alleine erfüllen.

Dr. Tobisch hat deshalb die wesentlichen Elemente beider Prinzipien in einem neuen Messverfahren kombiniert. Die „telezentrische Deflektometrie“ nutzt ein Beleuchtungsmuster, das auf die Halbleiterscheibe projiziert wird. Die Verzerrung des gespiegelten Musters ist dabei abhängig von der Form der Oberfläche, die sich anschließend aus dem Spiegelbild berechnen lässt. Dies ist vergleichbar mit dem Blick in einen gebogenen Spiegel, der das eigene Spiegelbild verzerrt.

Im Unterschied zur herkömmlichen Deflektometrie kommt ein spezielles telezentrisches Abbildungssystem zum Einsatz, das insbesondere die gerichtete Projektion eines optischen Musters auf die zu untersuchende Oberfläche ermöglicht.

Gemäß des deflektometrischen Messprinzips können die Neigungen der Oberfläche aus der Verzerrung des an der Oberfläche reflektierten Musters berechnet werden. Gegenüber herkömmlichen Deflektometern ergeben sich wesentliche Vorteile: Ein erheblich geringerer Kalibrieraufwand und geringere systematische Messabweichungen erlauben das Erreichen der hohen geforderten Messgenauigkeit. Da es sich um ein neigungsmessendes Verfahren handelt, ist es zudem von Natur aus robust gegenüber externen Störungen. Ein besonderer Vorteil für die Halbleiterindustrie ist außerdem die Möglichkeit, auch große Siliziumwafer mit einer einzigen Aufnahme vollflächig zu vermessen. Das Verfahren erlaubt zudem die Erfassung von Oberflächen unterschiedlichster Beschaffenheit, wie beispielsweise poliert, geschliffen oder strukturiert. So kann bei der Herstellung von Siliziumscheiben bereits in einem frühen Stadium des Produktionsprozesses eine Qualitätskontrolle erfolgen und nicht erst – wie bisher üblich – als Endkontrolle nach dem Polieren.

Von der Entwicklung zur Vermarktung

Die Entwicklung der theoretischen Grundlagen sowie die Demonstration der technischen Machbarkeit anhand zweier Prototypen führte Alexander Tobisch im Rahmen europäischer Verbundprojekte mit Partnern aus der Halbleiterfertigungs- und Zuliefererindustrie durch. Zudem kooperiert das Fraunhofer IISB mit einem etablierten Hersteller, der ein marktfähiges Messgerät entwickelt.

Auch außerhalb der Halbleiterfertigung eröffnet die neue Messtechnik in vielen Anwendungsbereichen eine verhältnismäßig kostengünstige und vergleichsweise einfache Erfassung von Unebenheiten im Bereich weniger Nanometer. Hervorzuheben wären die hochgenaue und großflächige Messung spiegelnder oder hochreflektiver Oberflächen in der Optikindustrie sowie die Riss- und Defekterkennung beim Polieren, Lackieren und Beschichten.

Über die Stiftung Industrieforschung

Ziel der Stiftung Industrieforschung ist die Förderung von Wissenschaft und Forschung vor allem für kleine und mittlere Unternehmen. Der Wissenschaftspreis wird für wissenschaftliche Arbeiten vergeben, die Originalität mit fundierter wissenschaftlicher Methodik und praktischer Relevanz verbinden. Die Preisjury der Stiftung entscheidet über die Vergabe der Preise auf Basis externer Gutachten. Die Stiftung Industrieforschung honorierte die Arbeit von Dr. Tobisch mit dem ersten Preis.



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Das 1985 gegründete Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB betreibt entsprechend dem Fraunhofer-Modell angewandte Forschung und Entwicklung in den Geschäftsbereichen Leistungs- und Energieelektronik und Halbleiter. Dabei deckt das Institut in umfassender Weise die Wertschöpfungskette für komplexe Elektroniksysteme ab, vom Grundmaterial zum vollständigen Elektronik- und Energiesystem. Schwerpunkte liegen in den Anwendungsgebieten Elektromobilität und Energieversorgung. Das Institut erarbeitet für seine Auftraggeber Lösungen auf den Feldern Materialentwicklung, Halbleitertechnologie und -fertigung, elektronische Bauelemente und Module, Aufbau- und Verbindungstechnik, Simulation, Zuverlässigkeit, bis hin zur Systementwicklung in der Fahrzeugelektronik, Energieelektronik und Energieinfrastruktur. Das IISB verfügt u.a. über umfangreiche Halbleiterprozesstechnik, ein Testzentrum für Elektrofahrzeuge und ein Anwendungszentrum für Gleichstromtechnik. Der Hauptstandort des Fraunhofer IISB ist in Erlangen, daneben gibt es Standorte am Energie Campus Nürnberg sowie in Freiberg. Das Institut hat mehr als 280 Mitarbeiter und einen Betriebshaushalt von rund 25 Mio. €.


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